Story of Singletrail

Der englische Begriff Trail leitet sich ursprünglich von Gebirgspfaden ab, die früher aus wirtschaftlichen oder militärischen Gründen angelegt wurden. Singletrails mit einer Wegebreite von 20–60 cm stellen hingegen die schmälere Variante dar. 

Bildeten in den 90 er Jahren waschechte FR- und DH– Alphatiere den „harten Kern“ und repräsentierten unangefochten die Platzhirsche auf verborgenem Trail – Terrain, so wandelte sich zur Jahrtausendwende das Blatt ganz gewaltig.

Der ehemalige Extremsport „junger Wilder“ entwickelte sich unaufhaltsam zum Breitensport für Jedermann, deren Suchpotential selbst die Generation 60 + erliegt. Innerhalb weniger Jahre vollzog sich fern der Öffentlichkeitswahrnehmung still und leise ein geländespezifischer Nutzungswandel. Allenfalls Forstbedienstete und Wanderer nahmen anfangs vom Mainstream behelmter Gestalten in trendigen Funktionsklamotten Notiz. Doch dieser Geheimstatus ist längst Geschichte. Wie aus heiterem Himmel war reizarmes Bremsfinger–Relaxen auf hindernisfreien breitspurigen Forstpisten plötzlich out. Zuliebe prickelnder Fahraction und fesselnder Reizmomente verlagerte sich das Aktionsfeld zunehmend auf schulterbreite Pfade, die sich fein manikürt durch intakte Landschaft über Berg und Tal schlängeln.

Seit rumpelige Karrenwege, waghalsige Steige, einsame Trampelpfade sowie idyllische Wanderwege Entfaltungsspielraum en masse bieten, fristen Forstautobahnen mehr oder weniger ein Mauerblümchendasein. Klar, denn nirgends kann Beweglichkeit, Reflexverhalten, Reaktionsschnelligkeit, Kraft, und Nervenstärke leidenschaftlicher trainiert werden als dort. Ratz fatz tat sich nicht nur der Sesam zur Selbstverwirklichungsbühne auf, sondern leidenschaftliches Hinabfräsen im Kurvengeschlängel hammerharter Singletrails war State of the Art.

Hindernisübersäte Singletrails versprechen Nervenkitzel pur. Dem Kick in der Limitsphäre giert eine wachsende Heerschar von Bikern mit großem Eifer nach.

Das Rad der Zeit blieb nicht stehen. Unentwegte Neuentwicklungen trugen zweifelsohne ihr Scherflein dazu bei, dass vieles fahrbar wurde was vorher schlicht als unfahrbar galt. Schluckfreudige, spurtreue Fahrwerke mit seidenweichem Ansprechverhalten voluminöser Federwege sowie antriebsneutrale Hinterbauten öffneten neue Erlebniswelten. Diverse Einstelloptionen, Vario–Sattelstützen, breit gekröpfter Lenker, fadingfreie Bremsentechnik und große Übersetzungsbandbreiten machen Bikes universell einsetzbar. Angesichts der unüberschaubaren Modellflut und Feinabstufungen gibt es für jedes Gelände und Präferenzen optimale Bikes. 

Längst ist der Mountainbikesport den Kinderschuhen entwachsen und erfindet sich beständig neu. Individualismus bedingt Bedürfnisvielfalt, die sich in einer ausschweifenden Gattungs- und Modellvariantenflut niederschlägt. Die Marktforschung erkannte, dass die jeweilige Bikegattung als repräsentatives und signifikantes Unterscheidungsmerkmal zählt, weshalb individuelle Vorlieben aus der verwendeten Bikegattung interpretierbar sind. Rahmengeometrie, Federweg, Gewicht, Laufradgröße (26, 650 B, 29 Zoll) und sonstige Parts bestimmen im Wesentlichen den Einsatzzweck. Die Hersteller verstehen es mittlerweile gut, funktionale Technik so dynamisiert zu verbauen, dass eine coole Optik den <Wollen Haben Reflex> wach kitzelt. 

Sinnbildlich für den hoch individualisierten Mountainbikesport steht seine irrwitzige Facettenvielfalt, die sich auch in zahlreichen Wettkampfdisziplinen widerspiegelt. Formate wie Cross Country (XC),  Marathon, Enduro, Etappenrennen, Four Cross, Dirt, Downhill und Slopestyle sind seit Jahren hipp. Spezialisierungen verfeinerten zusehenst den Einsatzzweck und bugsierten Grenzbereiche in unvorstellbare Regionen. Ingenieurswissen und Erfindergeist spielte den Geländefreaks also gehörig in die Hände. Wo früher begnadete Cracks mit bleischweren Boliden ihr „Unwesen“ trieben, shreddert heute komfortabel gefedert „Otto-Normal-Biker“ auf superben „High Tech Sänften“ querbeet durch die Pampa. Das emotionale Epizentrum kreist um Singletrails, alles andere scheint langweilig geworden zu sein. Der Hammer ist, dass es sie in allen Lebenslagen gibt: bergab/bergauf, steil/flach, flowig/kniffelig bis zu Trage- u. Schiebepassagen. Eingepfercht im Streckenkanal begeistern verblockte Stufen, Absätze, holprige Wurzeleinlagen, tückische Regenrinnen, ösenartige Kehren, scharfkantiges Felsgestein und Schräghänge derart, dass Millionen Mountainbiker dem Lockruf ohnmächtig folgen. Ausgetretene Pfade verlassen bedeutet nicht nur, dass man fern der Zivilisation in der Naturschatzkammer Fahrspaß-Refugien sucht. Nein, auch gesellschaftlich bewegt man sich mitunter am Rand konservativer Normen und rationaler Vernunftsteuerung.

Ach wie herrlich ist es doch mit diabolischer Freude seinen Bedürfnissen freien Lauf zu lassen und dem Leben eine Schippe Bewusstseinserweiterung abzugewinnen. Aber nicht nur das: Trails vom Feinsten halten buchstäblich die Sinne auf Trab. Pfiffiges Gehirnjogging, bei dem die Losgelöstheit vom Alltag zum fesselnden Erlebnis mutiert. Allein schon deswegen, weil Konzentration und Bewegungsmotorik beide Gehirnhälften stimuliert. Bewegt der am Lenker abgestützte Fahrer seinen Körperschwerpunkt entgegen den Fliehkräften, und gehen Brems- wie Beschleunigungsorgien eine ästhetisch anmutende Symbiose mit dem Streckenverlauf ein verschwindet alles Drumherum glatt im Nichts. Demzufolge ein Fitnesstraining, das nicht nur körperlich fordert sondern auch den Geist in besonderem Maße agil hält.

Für die Langhubfraktion fängt der Spaß mit ihren robusten Geschossen dort an, wo Fahrer auf Hardtails oder leichten Race – Fullys mit ihrem „Latein“ meist am Ende sind.

Im lenkerbreiten, kurvigen Vegetationsdschungel kommt man sich vor wie im Schleudergang - ein echt geiles Achterbahnfeeling. Unterdessen Hindernisse meistern, Federwege ausschöpfen und feinfühlig den Reifengripp permanent an den Kontaktflächen Hände, Füße und Po spüren – eine Reizschwelle die automatisch Fun verspricht. Genau diesem Nervenkitzel giert eine wachsende Heerschar von Bikern mit großem Eifer hinterher. 

Zweirad – Enthusiasten wird nachgesagt, dass sie lebenslustige, vor Energie strotzende Geschöpfe sind, denen die DNA eine puristische Lebenseinstellung ins Fahrtenbuch schrieb. Ganz nach dem Motto, easy auf den Sattel schwingen und unbekümmert durch dick und dünn glühen. Untrügliches Indiz, dass der hartgesottene Biker Blut geleckt hat. An und für sich ein logischer Suchtreflex, denn das Non plus Ultra an Fahrspaß ist eine sichere Bank für Psychodoping der natürlichen Art. Im Kern geht es darum, scheinbar Unkalkulierbares unter Kontrolle zu bringen, und mit ausgeklügelter Fahrtechnik die Machbarkeitsgrenzen auszudehnen. Schlussendlich spiegeln mannigfaltige Spielarten und Vorlieben auch ein stückweit das Naturell und Charakter seiner Akteure wider.

Mit dem Glücksgefühl ist das immer so eine Sache. Sehnt man es sich herbei, bleibt es aus. Denkt man nicht daran, überwältigt es einem unverhofft mit voller emotionaler Wucht. So betrachtet gelten Singletrails ohne Umschweife als potentielle Glücksbringer für leidenschaftliche Trail - Akrobaten.

Die Wegebreite macht’s – Singletrails gelten als Inbegriff des Mountainbikings, was eine DIMB – Umfrage untermauert, bei der 83 % aller Befragten das Befahren von Singletrails als (sehr) wichtig erachteten[1].



[1] Deutsche Initiative Mountain Bike e.V. (DIMB) Biker-Umfrage aus dem Jahr 2010, 9 000 Befragte