Wegesperrungen und Beachtlichkeit von Verbotsschildern

Das Thema Wegesperrungen und Beachtlichkeit von Verbotsschildern ist bei Mountainbikern - aber auch bei Grundeigentümern, Jägern, kommunale Behörden und nicht zuletzt in den Medien in aller Munde.

Auf Anfrage zum Thema Wegesperrungen und Beachtlichkeit von Verbotsschildern ging eine schriftliche Stellungnahme - in enger Abstimmung mit Vorstandsmitglied Roland Albrecht - von Sonja Schreiter, der DIMB-Fachberatung (Deutsche Initiative Mountainbike e.V.) ein. Zur Erläuterung der Zuständigkeitsbereiche: Sonja Schreiter ist für Bayern  - wo die geänderten Vollzugshinweise intensive Diskussionen hervorrufen - sowie die neuen Bundesländer zuständig, während Roland Albrecht für den Rest von Deutschland als Ansprechpartner für Politik und Verbände agiert.

Bild: Verbotsschilder eines Trails, der vom Weiler Zieglhof hinab zum Ortsanfang von Pielenhofen (Landkreis Regensburg) führt (Einmündung Naabstraße) enthalten keinen vom BayNatSchG vorgeschriebenen gesetzlichen Grund der Sperrung. 

Im Wald und in der freien Natur darf man grundsätzlich auch auf Privatwegen, die nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, Radfahren. Das BGH Urteil vom 2. Oktober 2012 sagt dazu: „Im Gegensatz zu jedem anderen Grundstückseigentümer sei es dem Waldbesitzer aber verwehrt, seinen Verkehrssicherungspflichten dadurch nachzukommen, dass er Besuchern den Zutritt zu seinen Flächen verwehre.“ Der tatsächliche Grund für die Beschilderung ist in dem vorliegenden Fall (Bild oben) nicht ersichtlich. 

Der Form halber sei darauf hingewiesen, dass die geäußerten Aussagen keine Rechtsverbindlichkeit besitzen, sondern lediglich die Auffassung und Einschätzung des Verbandes widerspiegelt.

Kommentar im Wortlaut:

"Generell gibt es keine gesetzliche Gestaltungsvorschrift für Sperrschilder. Das Schild muss lediglich laut BayNatSchG auf den gesetzlichen Grund der Sperrung verweisen. Dieser gesetzliche Grund sollte natürlich auch tatsächlich vorliegen. Dass z.B. ein Weg als zum Radfahren ungeeignet bezeichnet wird, ist kein ausreichender Grund für eine Sperrung. Ein solches Schild wäre dementsprechend unbeachtlich und steht lediglich potenziell konfliktträchtig in der Landschaft. Die Sperrung eines tatsächlich öffentlichen Weges, der tatsächlich befahren und begangen wird - also auf dem ein öffentlicher Verkehr stattfindet - obliegt der Straßenverkehrsbehörde und bedarf einer verkehrsrechtlichen Anordnung. Die würden dann das Verkehrszeichen 254 "Radfahren verboten" aufstellen. Das wäre dementsprechend beachtlich. Nur weil in den geänderten Vollzugshinweisen zum BayNatSchG der Versuch unternommen wurde die Eignung von Wegen zum Radfahren mit beispielhaften Kriterien zu definieren, hat sich die Rechtslage nicht geändert".

Bild: Verbotsschild im Landkreis Regensburg am "Ho Chi Minh Pfad". Die DIMB hat Kenntnis von etlichen Sperrungen in Bayern - u.a. auch rund um Regensburg, die bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) angezeigt wurden. Die DIMB tritt hier vermittelnd auf und macht sich für das Befahren und die gemeinsame, respektvolle Benutzung aller Wege stark. Parallel dazu laufen über den Runden Tisch hinaus auch Gespräche mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz.

Was wohl nicht allen Mountainbikern bekannt sein dürfte: (Radsport-) Vereinsmitglieder sind automatisch mittelbares Mitglied in der DIMB, sofern ihr Verein bei diesem Interessensverband selbst Mitglied ist. Damit bleiben die Interessen der Mountainbiker gewahrt, ohne dass ein gesonderter Mitgliedsbeitrag fällig ist. Wer die DIMB in Ihrer Arbeit unterstützen möchte, tut dies am besten mit einer eigenen Mitgliedschaft. Weitere Infos findet Ihr hier: https://www.dimb.de/mitgliedschaft/mitglied-werden/

 Beachtlichkeit von Verbotsschildern (Art. 27 Abs. 3, Satz 3 BayNatSchG) 

Art. 27

Betretungsrecht; Gemeingebrauch an Gewässern

(1) Alle Teile der freien Natur, insbesondere Wald, Bergweide, Fels, Ödungen, Brachflächen, Auen, Uferstreifen und landwirtschaftlich genutzte Flächen, können von jedermann unentgeltlich betreten werden.

(2) 1Das Betretungsrecht umfasst auch die Befugnisse nach Art. 28 und 29. 2Es ist beschränkt durch die allgemeinen Gesetze sowie durch Art. 30 bis 32 dieses Gesetzes.

(3) 1Das Betretungsrecht kann von Grundeigentümern oder sonstigen Berechtigten nur unter den Voraussetzungen des Art. 33 verweigert werden. 2Das Betretungsrecht kann nicht ausgeübt werden, soweit Grundeigentümer oder sonstige Berechtigte das Betreten ihres Grundstücks durch für die Allgemeinheit geltende, deutlich sichtbare Sperren, insbesondere durch Einfriedungen, andere tatsächliche Hindernisse oder Beschilderungen untersagt haben. 3Beschilderungen sind jedoch nur wirksam, wenn sie auf einen gesetzlichen Grund hinweisen, der eine Beschränkung des Betretungsrechts rechtfertigt.

(4) 1Der Gemeingebrauch an Gewässern bestimmt sich nach § 25 des Wasserhaushaltsgesetzes und Art. 18 des Bayerischen Wassergesetzes. 2Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen bestimmt sich nach Art. 14 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes sowie § 7 des Bundesfernstraßengesetzes.

BIKE Interview

Rückblick

Das bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hatte am 16.12.2020 geänderte Verwaltungsvorschriften zum Betretungsrecht für das Bayerische Naturschutzgesetzes (BayNatSchG) erlassen. Die Vollzugsbekanntmachung trat am selben Tag in Kraft, welche sich schwerpunktmäßig auf das Betretungsrecht für Radfahrer in der Natur im Allgemeinen und die Wegeeignung für Mountainbiker im Besonderen bezieht. Das Betretungsrecht (Umfang und Inhalt des Rechts auf Naturgenuss) ist in Art. 26 ff. des Bayerischen Naturschutzgesetzes - Teil 6 „Erholung in der freien Natur“ - geregelt. Die Verwaltungsvorschrift ist eine Dienstanweisung für Behörden und entfaltet daher für sich genommen keine Außenwirkung.

Wenngleich die Anwendung der Verwaltungsvorschrift das geltende Betretungsrecht fundamental zu beschneiden versucht, haben sich ursprüngliche Befürchtungen von flächendeckenden Wegesperrungen bislang nicht bestätigt. Seit Inkrafttreten der geänderten Verwaltungsvorschriften wurden der DIMB (Deutsche Initiative Mountainibke e.V.) aktuell in Bayern 50 Verbotsschilder gemeldet (Stand August 2022), wovon ¾ den zuständigen Unteren Naturschutzbehörde nicht angezeigt waren. Angesichts von 71 Landkreisen in Bayern sind knapp über 10 angemeldeten Sperrungen nicht viel. Umso ärgerlicher sind daher die bereits formal rechtswidrig aufgestellten Verbotsschilder. Für deren Beachtlichkeit spielt dieser Rechtsmangel jedoch keine Rolle. 

Deshalb rät die DIMB davon ab, eigeninitiativ bei der UNB nachzufragen, ob ein Schild angezeigt wurde. Eine (nicht stichhaltige) Argumentation oder gar emotional behaftete Diskussion mag wohl mehr schaden denn nützen. Außerdem könnte sich die Ausgangslage für den Biker verschlechtern, weil ihm vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden kann, sobald er zu einem späteren Zeitpunkt das Verbot missachtet, da er über die Wegesperrung durch Meldung an die UNB Bescheid wusste. Deshalb empfiehlt die DIMB, Verbotsschilder dem Verband bzw. der örtlichen IG (Interessensgemeinschaft) zu melden, die den Fall fachkundig und fundiert analysiert, und erforderlichenfalls mit Besonnenheit die entsprechenden Schritte einleitet. So gesehen agiert die DIMB als Koordinator bzw. Vermittler zwischen den Akteuren, wie bspw. (Wald-) Grundstückseigentümer, forstwirtschaftlichen Betrieben, Jägern sowie Naturnutzern wie Mountainbiker und Wanderer, die den Wald bzw. die Natur jeweils für ihre Freizeitzwecke zur Erholung oder sportlichen Aktivität nutzen.

Anstatt auf Schuldzuweisungen – sprich (eskalierenden) Konfrontationskurs zu setzen der unversöhnliche Fronten schafft - sollten alle Beteiligte im Dialog einen Konsens anstreben. 

 Post im IBC-Forums-Thread zum Thema „Rechtslage in Bayern“ (17.04.2015)

"Getreu dem Motto "Zwei Juristen, drei Meinungen" finden sich zum Grundrecht auf Erholung in der freien Natur zahlreiche unterschiedliche Darstellungen. Entsprechend widersprechen sich Autoren oftmals auch noch selbst. Da wird es schwierig, bisweilen unmöglich, sich über die geltende Rechtslage in Bayern wie sie wirklich ist (nicht das was einige dafür halten oder sich wünschen) zu informieren.

Wie man den Begründungen zum Bayerischen Naturschutzgesetz 1973 und zur Novelle 2011 entnehmen kann, ging es dem Gesetzgeber bei der näheren Konkretisierung des in Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV gewährleisteten Grundrechts auf Erholung in der freien Natur um Rechtssicherheit und Rechtsfrieden aber auch um Bürger- und Anwenderfreundlichkeit. Daher sollte es dem einzelnen Erholungsuchenden bereits aus dem Gesetz heraus möglich sein, sich über Inhalt und Schranken seines Rechts zusammenfassend informieren zu können.

Es liegt in der Natur der Sache, dass unterschiedliche Darstellungen ein und der selben Rechtslage, der Rechtssicherheit, dem Rechtsfrieden, der Bürger- und auch der Anwenderfreundlichkeit nicht zuträglich sind bzw. diesen Zielen direkt entgegen stehen.

Derzeit müssen wir vereinzelt erfahren, dass die Ungewissheit über die Rechtslage darin mündet, dass die Schönheit der Bayerischen Landschaft zur Verwirklichung von Einzelinteressen mit unbeachtlichen Schildern verschandelt wird, die dem gewüschten Rechtsfrieden schaden und stattdessen Konflikte schüren, die das Bayerische Naturschutzgesetz selbst eigentlich schon befriedet hatte.

Ziel dieses Threads ist daher nicht weniger als die Rechtslage in Bayern, wie sie wirklich ist, darzustellen und damit zu Rechtssicherheit und Rechtsfrieden beizutragen bzw. diese wieder herzustellen.

Hierzu werde ich nach und nach Fundstücke und Artikel aus der Literatur, Studien oder auch Urteile etc. vorstellen und erläutern.

Bevor ich mit der Historie beginne, kann man im Artikel "Latentes Konfliktpotential unter Wegenutzern" von Curd Biederman einen Eindruck gewinnen warum die geltenden Regelungen in Bayern auf der einen Seite Konflikte zwischen Erholungsuchenden untereinander sowie auch im Verhältnis zu Grundeigentümern befrieden und auf der anderen Seite einen pfleglichen Umgang mit der Natur gewährleisten.

In einem Punkt muss ich Curd Biedermann allerdings widersprechen. Auch wenn das Grundrecht auf Erholung in der freien Natur aus der Schweiz inspiriert war, ist die Trailtoleranz keine schweizer Erfindung. Nach Art. 141 Abs. 3 Satz 1 der Bayerischen Verfassung stehen die verschiedenen Arten der Erholung in der Natur grundsätzlich gleichwertig nebeneinander, ohne dass eine bestimmte Rangordnung aufgestellt werden könnte (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.7.1979 – Vf. 10-VII-77 – VerfGHE 32, 92/98 f. und die aktuellen Urteile des VG München vom 21.02.2013, Az. M 11 K 12.4120 und des BayVGH  vom 21.11.2013, Az. 14 BV 13.487). Unter der Schranke der Gemeinverträglichkeit enthält die Bayerische Verfassung die Trailtolerenz demnach schon seit 1946 als unmittelbar geltendes Recht. Quelle: Roland Albrecht, DIMB-Vorstandsmitglied

Bemerkung: obwohl es zum Zeitpunkt der obigen Aussagen die geänderten Verwaltungsvorschriften noch nicht gab, so gelten sie bis heute uneingechränkt, da sich die Rechtslage durch die Bekanntmachung nicht geändert hat.

Der DIMB kommt zu Gute, dass sich in Bayern zahlreiche neue DIMB IGen gegründet haben, so dass der Verband flächendeckend im Freistaat aktiv werden kann wo Konfliktpotential besteht. 128.000 Mitglieder - davon 120.000 mittelbare Mitglieder über Vereine – geben der DIMB ein gewichtiges Mitspracherecht gegenüber der Politik und den Kommunen. Dem Interessensverband - ausgestattet mit hoher Fachkompetenz - ist es zu verdanken, dass zahlreiche Radfahrverbote abgewendet bzw. Verbotsschilder entfernt werden konnten, ohne den Rechtsweg beschreiten zu müssen. Die Gelegenheit für eine Art "Musterklage" hat sich daher bislang noch nicht ergeben.